Wie im Beitrag „Schlechtes Schreiben kann so gut sein“ bereits erwähnt, habe ich das Buch „Story Genius“ von Lisa Cron konsultiert, um in meinen Roman hineinzufinden. In „Story Genius“* geht es darum, einen Roman zu entwickeln, von einer ersten, zarten Idee bis zum fertigen ersten, mehrschichtigen Entwurf.

Geschichte und Handlung unterscheiden

Das Buch hat mich schnell für sich eingenommen, weil die Autorin auf den ersten Seiten ihren Ansatz damit erklärt, dass sie zwischen der Geschichte (Story) und dem Plot unterscheidet. Der Plot besteht für sie aus den äußeren Ereignissen und die Geschichte ist das, was diese Ereignisse bei der Hauptfigur auslösen und wie sie sich dadurch entwickeln muss.

„Story is about how the things that happen in the plot affect the protagonist, and how he or she changes internally as a result.”

Lisa Cron erklärt, dass es nicht der Plot ist, der uns als Leser berührt und weiterlesen lässt, sondern immer die Story, weil wir zu den Figuren eine Beziehung aufbauen und mit ihnen mitfühlen. Deswegen muss die Balance zwischen Plot und Story stets bedacht sein.

Falsche Annahme steuert die Figur

Ein weiteres wichtiges Element bei der Romanentwicklung ist für Lisa Cron der „misbelief“ der Figur. Sie geht davon aus, dass sich die Figur irgendwann in ihrer Vergangenheit von einer falschen Annahme, einem Irrglauben überzeugt hat und diese Annahme beeinflusst ihr weiteres Leben und die Entscheidungen, die sie trifft. Beispielsweise könnte sie davon überzeugt sein, nicht gut lernen zu können, weil sie in der Schule schlechte Noten hatte. Es gab eine Situation, in der ihre „Dummheit“ besonders demütigend für sie war. Die Figur wird in ihrem weiteren Leben allen Gelegenheiten, die mit Lernen verbunden sind, allen Weiterbildungen aus dem Weg gehen und vielleicht aus Selbstschutz abfällig über die denken, die mehr erreichen als sie selbst. Aber was passiert, wenn die Figur aus wichtigen Gründen gezwungen ist, etwas ganz Neues zu lernen?

Man schreibt zunächst die Szene, in der der misbelief entstanden ist und überlegt dann, welche Entscheidungen die Figur getroffen hat, die von ihrer Überzeugung beeinflusst wurden. Der Roman beginnt, wenn ihre falsche Annahme die Figur in eine Situation gebracht hat, aus der es kein Entkommen gibt, in der sie zum Handeln gezwungen ist.

Lisa Cron führt die Autoren mit vielen Aufgaben Schritt für Schritt durch den Prozess. Daneben zeigt sie als beispielhafte Lösung der Aufgaben einen entstehenden Roman der Autorin Jenny Nash.

Szenen entwickeln

Hilfreich finde ich den sehr analytischen Ansatz, Szenen zu entwickeln. Für jede Szene stellt Lisa Cron vier Fragen:

Mit welcher Überzeugung geht die Figur in diese Szene?
Warum ist sie davon überzeugt?
Was ist das Ziel der Figur in dieser Szene?
Was erwartet die Figur, was passieren wird?

Außerdem soll man für jede Szene eine scene card ausfüllen, in der man kurz darlegt, was auf der Plot-Ebene passiert und welche Konsequenzen es hat. Dazu notiert man für die Story-Ebene, warum das, was passiert, für die Figur wichtig ist, welche Erkenntnis sie daraus gewinnt und schließlich, welchen nächsten Schritt die Figur für sich aus dieser Szene ableitet.

scene card aus Story Genius von Lisa Cron

Lisa Crons Methode sieht vor, dass man recht früh alle scene cards für den Roman vorbereitet, damit man eine Übersicht über die Handlung gewinnt und den Aufbau erkennen kann, bevor man sich die Mühe macht, alles auszuformulieren. Diese Vorgehensweise ist nichts für mich, aber die scene cards sind ein tolles Mittel bei der Überarbeitung.

Gut, aber nicht der beste aller Schreibratgeber

Story Genius“* enthält noch viel mehr Schritte, auf die ich hier nicht alle eingehen kann. Es gibt aber auch ein paar Dinge, die mir an diesem Schreibratgeber nicht gefallen. Da ist zunächst der offensiv vorgetragene Anspruch der Autorin, nur ihr Weg der Romanentwicklung sei der einzig wahre. Natürlich muss sie sich gegen die Vielzahl ähnlicher Bücher behaupten, aber diese Haltung nervte mich beim Lesen.

Der Verweis darauf, dass ihre Methode die neuesten Entdeckungen der Neurowissenschaften nutzt, scheint mir auch eher eine Marketingstrategie zu sein als alles andere. Dass das Geschichtenerzählen zu uns als Menschen gehört ist allgemein bekannt und neuere Entdeckungen kommen schlicht und einfach nicht vor.

Lohnt sich der Kauf?

Falls man sich am Beginn des Romanschreibens desorientiert fühlt und für die ersten Schritte gerne an die Hand genommen werden möchte, ist „Story Genius“ eines der Bücher, zu denen man greifen kann, um sich einige Elemente daraus zu nehmen, die man gerade braucht.

Lisa Cron: Story Genius.* How to use brain science to go beyond outlining and write a riveting novel. Ten Speed Press 2016. 14,50 Euro

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About the Author Pia

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