Das Freewriting ist eine Schreibtechnik, die man sich als eine Art Brainstorming auf Papier vorstellen kann, doch dieses Bild greift zu kurz, denn das Freewriting kann noch viel mehr. Es ist eine Möglichkeit, Ideen zu generieren, Themen zu erkunden und den inneren Kritiker zu umgehen.
Freewriting gibt es schon lange. Bekannt geworden ist es hierzulande vor allem durch Natalie Goldbergs Buch „Schreiben in Cafés“ (klick!)*, in dem das Freewriting eine große Rolle spielt. Natalie Goldberg wiederum lernte diese Technik durch Allen Ginsberg kennen. Auch in Frankreich wurde die Methode des „automatischen Schreibens“ bereits in den 1920er Jahren populär.
Freewriting ist tatsächlich schon sehr bekannt, wozu also noch ein Blogbeitrag, um diese Methode vorzustellen? Zum einen gibt es natürlich immer wieder neue Anfängerinnen und Anfänger, die die Methode erst kennenlernen müssen, zum anderen merke ich auch bei mir selbst, dass es notwendig ist, mir immer wieder vor Augen zu führen, wie genau das Freewriting funktioniert, denn wenn ich einzelne Punkte nicht beachte, wird das Resultat dröge und nutzlos.

Freewriting: Wie funktioniert es?

Freewriting funktioniert ganz einfach, wenn man sechs schlichte Punkte beachtet. Alles, was man braucht sind: Papier, Stift und ein Kurzzeitmesser. Man wählt eine Zeit zwischen 5 und 10 Minuten aus und schreibt dann alles auf, was einem durch den Kopf geht, ohne es zu bewerten oder zu zensieren.

  1. Es kommt darauf an, stetig weiterzuschreiben und wirklich niemals den Stift abzusetzen, um zu überlegen. Dazu gehört auch, dass man tatsächlich ALLES aufschreibt, was einem durch den Kopf geht. Also zum Beispiel auch so etwas wie: „Was ist das für eine bescheuerte Methode. Das funktioniert doch gar nicht. Ich muss noch einkaufen. Wir brauchen Brot.“ Wenn man mit diesen Gedanken fertig ist, werden auch wieder nützlichere auftauchen. Kommt man an einen Punkt, an dem man nicht mehr weiß, was man als nächstes schreiben soll, dann kann man beispielsweise genau das aufschreiben – also „ich weiß nicht, was ich noch schreiben soll …“ – und zwar so lange, bis neue Ideen kommen, oder man wiederholt den letzten Satz, den man geschrieben hat. Vielleicht hat man sich auch vor dem Freewriting eine Frage als Ausgangspunkt gestellt, dann kann man die wiederholen. Nicht innezuhalten ist so wichtig, weil man sonst in den Pausen unweigerlich den Text bewertet.
  2. Es sollte kein Gedanke daran verschwendet werden gut zu formulieren oder die Rechtschreibung und Grammatik zu beachten. Ein Freewriting funktioniert dann richtig gut, wenn man wild drauflos schreibt. Dazu gehört, Fehler nicht zu korrigieren, egal ob es sich um Rechtschreibfehler handelt oder ob man einen ganzen Satz anders schreibt, als man wollte. Es ist da, es bleibt so stehen.
  3. Beim Freewriting geht es darum, die Kontrolle aufzugeben. Deswegen wollen wir nicht darüber nachdenken, was wir schreiben, sondern alles raushauen, was auftaucht. Auch wenn es uns dumm vorkommt, schmerzhaft oder uns peinlich ist.
  4. Wir brauchen für das Freewriting eine offene Einstellung. Das heißt, dass wir kein bestimmtes Ergebnis erwarten sollten und am besten ohne jede Erwartung an das Schreiben herangehen. Gespannt zu sein auf das, was kommt – das ist die perfekte Haltung für ein interessantes Freewriting.
  5. Folge der Energie. Gerade wenn etwas Unerwartetes auftaucht oder etwas Schmerzhaftes, Angst einflößendes, Peinliches, dann lohnt es sich, dieser Spur zu folgen.
  6. Per Hand zu schreiben ist dabei wichtig, warum das so ist, darauf gehe ich später noch ein. Das Freewriting zu tippen ist so, als würde man die Joggingstrecke mit dem Auto abfahren. Ja, man ist mal vom Sofa runtergekommen, aber das Ergebnis ist einfach nicht das gleiche. (Klar, wenn man aus medizinischen Gründen nicht per Hand schreiben kann, ist es besser zu tippen als gar kein Freewriting zu nutzen.)
Freewriting: Warum es so nützlich ist

Durch pures Nachdenken kommen wir weit, aber das Freewriting trägt uns locker über diese Grenzen hinaus. Durch das schnelle, unkontrollierte Schreiben gelingt es uns, uns an unserem inneren Kritiker oder Zensor vorbeizumogeln und an Bilder und Ideen zu gelangen, die aus dem Unbewussten aufsteigen. Immer wieder ist man überrascht, was plötzlich auf der Seite steht. An dieser Stelle eine kleine Warnung: Es ist sehr gut möglich, zwei, drei Seiten zu schreiben und daraus „nur“ einen Satz, ein Bild oder eine kleine Idee abschöpfen zu können. Auf den ersten Blick mag das ineffektiv wirken, ohne die restlichen zwei, drei Seiten hätten wir den Satz, das Bild, die Idee allerdings gar nicht bekommen.


Freewriting: Wann kann man es einsetzen?


Das Freewriting ist eine universelle Schreibmethode mit vielen Anwendungsmöglichkeiten. Hier ist eine garantiert unvollständige Liste mit Beispielen, wann man es einsetzen kann.

  • Morgens oder vor dem Schreiben Gedankenmüll entsorgen (aka Morgenseiten schreiben)
  • Um sich mit den eigenen Sorgen und Nöten auseinanderzusetzen, die sonst dem Scheiben im Weg stehen
  • Für das gedankliche Umschalten vom Alltagsleben zum Schreiben
  • Als Aufwärmübung vor dem Schreiben, für die man eine Schreibanregung nutzt
  • Um Ideen für die nächste Szene zu sammeln
  • Um eine Figur besser kennenzulernen
  • Ein Thema zu erkunden
  • Eine erste Textfassung zu schreiben
  • Wenn wir uns festgefahren fühlen
  • Wenn wir unser eigenes Schreibprojekt nicht mehr mögen oder es uns langweilt, um herauszufinden, warum wir so empfinden und wie sich das eventuell ändern ließe
Freewriting: Tipps für den Einsatz beim literarischen Schreiben


Wenn man das Freewriting verwendet, um an einem literarischen Text zu arbeiten, dann kann es passieren, dass man auf einer abstrakten Meta-Ebene bleibt und nur über den Text nachdenkt, statt in die Geschichte hineinzukommen. Stellt man fest, dass genau das passiert, konzentriert man sich auf Sinneseindrücke. Man tastet ab, was es zu hören, sehen, schmecken, riechen, fühlen gibt und findet auf diesem Weg in die die Erzählung hinein.
Per Hand zu schreiben ist wichtig, da es den künstlerischen Bereich unseres Gehirns aktiviert. Man kann beim Freewriting furchtbar kritzeln und schmieren, wenn die Gedanken schneller kommen, als man mitschreiben kann. Das ist völlig okay. Es lohnt sich aber auch, den künstlerischen Faktor ab und zu erhöhen, indem man besonders schön schreibt, sodass jeder Buchstabe zu einem eigenen kleinen Kunstwerk wird.

Das wichtigste ist, sich nicht entmutigen zu lassen, wenn die ersten Freewriting-Sessions sich nicht gut anfühlen. Man muss sich erst einmal mit dieser Methode vertraut machen und erkennen lernen, wo welche Goldnuggets in den Texten stecken. Falls man weiterhin mit dem Freewriting nicht glücklich wird, kann es helfen, ein paar äußere Dinge zu ändern. Ich brauche dafür zum Beispiel einen Ort, an dem ich mich sicher fühle und es hilft mir, sehr preiswerte Notizblöcke oder Schmierpapier zu verwenden.

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