Das Schreiben stellt uns vor viele Herausforderungen. Zum Beispiel investieren wir unheimlich viel Zeit und Energie, ohne wissen zu können, ob das Ergebnis etwas taugt. Wir müssen mit Selbstzweifeln umgehen und sobald wir unsere Arbeit auf irgendeine Weise veröffentlichen, müssen wir uns der Kritik anderer Menschen stellen. Kein Wunder, dass für viele (alle?) das Schreiben mit Ängsten verbunden ist. Dummerweise stehen solche Ängste dem gelungenen Schreiben entgegen. Manchmal bauen sie sich sogar als massive Schreibblockade vor uns auf.

Wer hätte nicht gerne eine weise Mentorin oder einen weisen Mentor neben sich am Schreibtisch, die oder der in Momenten voller Zweifel einen Satz sagt, der ins Schwarze trifft oder eine Anekdote erzählt, die zeigt, dass man mit diesem Problem nicht allein ist und dass es Lösungen gibt.

So einen weisen Menschen kann man leider nicht aus der Tasche zaubern, aber zumindest kann man ein Buch konsultieren, das der papiergewordene weise Mentor ist: der Schreibratgeber „Fearless Writing“ von William Kenower.

William Kenower hat schon als Kind zu schreiben begonnen. Für das Author magazine, dessen Chefredakteur er ist, hat er im Laufe der Jahre hunderte Autorinnen und Autoren interviewt. Seine Interviews kann man auch im Podcast author2author nachhören.

Das Buch „Fearless writing“ schafft den Spagat zwischen einer anekdotenreichen Erzählung und handfesten Tipps und Hinweisen.

 Der Schreibprozess als lebenslange Übung

In der Einleitung erzählt wie ein älterer Schüler dem Aikido-Erfinder M Ueshiba eine Frage nach dem Geheimnis seines guten Gleichgewichts stellte:

„I have to ask you a question: I have been training and training for years. Every day I train, I am off balance. Every technique, no matter how rudimentary, i am always off balance. I watch you train, and you are never off balance. How do you do it?“
„No, no“, said Ueshiba. „This isn’t true. I am frequently off balance. I am just very quick to get back on balance.“

Dieser kurze Dialog veranschaulicht einmal, wie bildhaft in Fearless Writing erzählt wird und zum anderen demonstriert er Kenowers Haltung zu den Herausforderungen des Schreibprozesses. Wohltuenderweise sieht er davon ab, den kreativen Prozess zu überproblematisieren und verzichtet auch darauf, ein alleinglücklichmachendes Konzept zu verkaufen. Vielmehr ordnet er ein, erläutert Hintergründe und zeigt überraschende Perspektiven auf weit verbreitete Erfahrungen.

Über den Umgang mit Selbstzweifeln

Schauen wir uns mal ein Kapitel genauer an:

„Ist das, was ich gerade schreibe, eigentlich gut? Taugt es was?“ Diese Frage ploppt immer wieder in unserem Kopf auf und sich mit ihr zu beschäftigen ist ein sicherer Weg, um genau das Gegenteil von der erhofften Antwort zu erreichen. Es ist ja bekannt, dass diese Frage den Selbstzweifeln Tür und Tor öffnet, aber mir hat noch nie jemand so gut erklärt, wie man mit dieser Frage umgehen sollte, wie Kenower das tut. Für gutes Schreiben oder ein gutes Buch gibt es keinen allgemein gültigen Kriterienkatalog. Um uns daran zu erinnern, brauchen wir nur Rezensionen zu einem beliebigen Buch geben. Es gibt immer Leser*innen, die das Buch genossen haben und ebenso Leser*innen die das gleiche Buch verabscheuen. Beide Lager können ihre Meinung begründen, deswegen ist es für uns sinnlos, uns zu fragen, wie gut unser Manuskript ist. Sinnvoll sind, nach Kenower, stattdessen zwei andere Fragen:

What do I want to say?
Have I said it?

Mit diesen Fragen konzentriert man sich wieder auf den Schreibprozess, sie sprechen das an, was wir kontrollieren können. Kenower geht noch weiter auf diese Fragen ein. Wenn man die erste Frage aufrichtig beantwortet, wird man der eigenen Neugier, dem eigenen Interesse folgen. Das sorgt nicht nur für eine unwiderstehliche Begeisterung und höhere Motivation, sondern wir können uns auch sicher sein, wenn es uns interessiert, wird es da draußen noch mehr Menschen geben, die dieses Interesse teilen.

Darüber hinaus führt William Kenower aus, dass diese Frage einen Übersetzungsprozess anstößt. Wir übersetzen die Idee, die nur in unserem Kopf existiert, in etwas, das andere sehen, fühlen, denken können. Dieser Prozess muss so akkurat wie möglich von statten gehen, damit unsere Idee möglichst exakt in den fremden Köpfen ankommt. Sobald man sich fragt, was andere Leute von diesem Manuskript halten werden, unterbricht man den Übersetzungsprozess und versucht stattdessen, das, was diese Leute wahrscheinlich gut finden werden, zu ‚übersetzen‘ – es ist einleuchtend, dass das nicht funktioniert. Kontentrieren wir uns also lieber darauf exakt zu sein.

„… the idea of an external good and bad, of an aestetic right and wrong, is absolutely anathema of creativity. Within the flow there is no good and bad or right and wrong“.

Klingt das jetzt so, als wäre Kenower das Schreibhandwerk gleichgültig? Gibt es für ihn einfach keine Regeln? Das ist nicht der Fall, vielmehr ist er der Meinung, jeder müsse sich selbst darüber klar werden, was gutes Schreiben für ihn ausmacht. An das Kapitel schließt sich eine Übung an, in der er empfiehlt, sich genau mit den Büchern, die man liest auseinanderzusetzen, um auf diese Weise zu verstehen, nach welchen Gesetzmäßigkeiten die Texte funktionieren und sich so darüber klar zu werden, welche Regeln für die eigenen Texte gelten sollen

Ein Schreibratgeber, der ermutigt und unterstützt

In den 17 weiteren Kapiteln geht es unter anderen um das Prokrastinieren, den Umgang mit Lob und Kritik bei einer Workshopteilnahme und um mutiges Marketing. An jedes Kapitel schließt sich eine Aufgabe oder ein Hinweis, wo man das Thema vertiefen kann.

Fearless Writing ist kein Buch mit dem sich hinsetzt, um es durchzuarbeiten. Vielmehr ist es der geduldige Begleiter, der immer wieder dann zur Hand genommen werden kann, wenn man etwas Unterstützung, Zuspruch und eine klare Sicht braucht.

William Kenower: Fearless Writing. How to Create Boldly and Write with Confidence. Writers Digest Books. 21,10 Euro

Auszug aus dem Schreibratgeber Fearless Writing von William Kenower
About the Author Pia

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